Wie wir die Möglichkeiten des maschinellen Lernens schon heute in der Unternehmensstrategie, im Innovationsmanagement und in der Kommunikation nutzen können
Maschinelles Lernen ist eines von vielen Buzzwords, wenn es um „intelligente” Algorithmen geht, die in unseren Rechnern vermeintlich eigene Gedanken entwickeln und – so die Befürchtung – auch danach handeln. Um es vorweg zu nehmen: So apokalyptisch ist es bei Weitem nicht. Doch was genau verstehen wir unter maschinellem Lernen und wie können wir diese Technologie für unser Unternehmen schon heute gewinnbringend nutzen? Wie funktioniert das mit dem Lernen? Maschinelles Lernen als eine Disziplin der Künstlichen Intelligenz (KI) beschreibt die logische Denkfähigkeit und die Strategiefähigkeit von Maschinen. Wir sprechen nicht davon, dass Maschinen ein Bewusstsein bekommen, Emotionen oder Empathie haben. Aber dass eine Software bessere Antworten geben kann als ein Mitarbeiter, weil diese beispielsweise im Kundenservice schneller weiß, welches Produkt ein Kunde nutzt, welche Probleme und Lösungen es dafür gibt, und idealerweise die Maschine schon weiß, was der Kunde fragen wird, sobald er anruft. Wesentlich für das selbständige Lernen der Maschinen bzw. Algorithmen sind große Datenmengen, die als Erfahrungswerte dienen und auf deren Grundlage sich Zusammenhänge zwischen Eingabegrößen ermitteln lassen. Moderne Algorithmen führen auch während der Nutzung der Anwendung Trainingsdurchläufe aus, die die besten Ergebnisse für Eingabewerte ermitteln. Wichtig ist an der Stelle zu verstehen, dass lernende Algorithmen immer dann zum Einsatz kommen, wenn klassische IT-Verarbeitungsprozesse nach dem “EVA”-Prinzip (Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe) nicht mehr funktionieren.Bei lernenden Algorithmen rutscht an die Stelle der klassischen Verarbeitung (EVA) innerhalb der Software ein selbstlernendes Verfahren, was nichts anderes bedeutet, als dass die Maschine zu einer Frage die passende Formel findet, um dann eine Antwort zu geben. Die passende Formel wird dadurch ermittelt, dass ein Algorithmus auf Basis der vorhanden Daten lernt, welche Ausgabe bei welchen Eingabedaten erwartet wird. Dieser Prozess ist im Fluß, d.h. wird jedes Mal durch das Feedback der Nutzer neu eingestellt, so wie wir es beim menschlichen Lernen („Try & Error“) auch kennen.
Datencloud, Rechenpower, Vernetzung & Training: Das magische Quartett des Maschinellen Lernens
Schauen wir uns nun die zentralen Komponenten maschineller Algorithmen an, dann stellen wir fest, dass es sich dabei um vier wesentliche Bestandteile handelt:
1. Vernetzung (Web)
Wichtigste Komponente ist die Vernetzung. Heute eine Selbstverständlichkeit, waren lange Zeit die dezentralen und nicht vernetzen Daten ein Problem, um lernende Algorithmen zu trainieren. So kommt es, dass zahlreiche mathematische Modelle hinter den Algorithmen zwar schon in den 50er und 60er Jahren entwickelt wurden, aber erst heute ihren beeindruckenden Einsatz erfahren. Dank Social Media, Web-Protokollen, Suchmaschinen, Big Data Anwendungen, Smartphone-Nutzung, Geobasierten Daten etc. sind wir heute “allways on” und mit den Clouds der Welt vernetzt.
2. Daten (Cloud)
Wie oben bereits skizziert, benötigen wir viele Daten. Sehr viele Daten. Daten, um eine KI zu trainieren. Daten, um zu üben. Daten, um zu optimieren. Diese Daten werden heute in großen Mengen produziert (durch Smartwatch- und Smartphone-Nutzung, Suchmaschinen-Nutzung, Smart-TV, SmartHome, Mobile Payment, Internet of Things etc.) und sind im Netz abrufbar. Insbesondere die Speicherung und Verarbeitung von großen Datenmengen war bis vor wenigen Jahren (vor dem Cloud-Zeitalter) aufgrund der Beschränkungen von Festplattenspeicher und der extrem hohen Kosten für Speicher nicht möglich. Durch die zusätzöiche Vernetzung und die zentrale Verwaltung der Daten in Cloud-Speichern sind diese (unstrukturierten) Daten nunmehr geballt verfügbar, um KIs zu trainieren (Beispiel: Durch Digitalfotografie und Cloud-Bildspeicher sind milliarden Fotos verfügbar, die zum Training von Gesichtserkennungsalgorithmen genutzt werden).
3. Rechenpower
Lernen dauert. Lernen ist aufwendig. Lernen braucht Geduld. Das weiß spätestens jeder, der mit der Kindererziehung befasst ist. Um das Ganze zu beschleunigen, sind leistungsfähige Rechenmaschinen notwendig. Diese stehen heute zur Verfügung, nicht nur in Form von verbundenen Rechenkapazitäten (Cluster), sondern auch in Form neuer Technologien, die „Grafikkarten”-Chips zur Berechnung der Algorithmen nutzen. Die sogenannten GPUs, die dort eingesetzt werden, sind nicht nur um ein Vielfaches schneller als klassische Prozessoren in heutigen Computern, sondern auch um einiges günstiger – und in der Cloud verfügbar. Sie können zwar „nur“ rechnen, dass aber extrem schnell.
4. Training
Last but not least müssen die Algorithmen trainiert werden, möglichst schnell und oft. Wo hat die Maschine recht? Wo hat sie falsch interpretiert? Was hat sie gesehen, was übersehen? Wir alle nutzen Suchmaschinen wie google oder bing, bemühen Cloud-Intelligenzen wie Siri oder Alexa für Fragen des täglichen Lebens, teilen Amazon regelmäßig mit, welche Produkte wir kaufen und geben der Fotosoftware nicht nur Tipps, wer auf dem Foto ist, sondern auch, wo und wann wir es geschossen haben. So bringen wir den Algorithmen bei, noch zuverlässiger aus Informationen zu lernen und Entscheidungen zu treffen. Eines muss uns allen klar sein: Wir alle sind es, die durch die Nutzung der modernen, vernetzten Kommunikation die KIs in den Clouds trainieren.
Was passiert beim maschinellen Lernen?
Ein ganz einfaches Beispiel, das wohl jeder nachvollziehen kann, sind Spamfilter (Spam-Detection) in aktuellen Mail-Programmen oder auch auf Mailservern. Die Funktionsweise dieser Spamfilter ist ein einfaches Beispiel für ein Klassifizierungsproblem und eine Lösung mittels maschinellem Lernens. Während man zu Beginn des E-Mail-Verkehrs und der aufkommenden Spam-Mails versucht hat, über Regeln (“rule-based intelligence”) des Problems Herr zu werden, geht man heute einen anderen Weg. Regelbasierte Algorithmen haben den großen Nachteil, dass Regeln gebrochen und umgangen werden können. Das berühmte Katz- und Mausspiel zwischen Spamabwehr und Spamverursacher. Was darf nicht mehr in den Mails vorkommen, damit diese durch den Filter rutschen? Eine identische Problemlage finden wir bis heute bei den Antivirus-Programmen. Maschinelle Intelligenz funktioniert anders: Sie versucht, in den Mails Muster zu erkennen. Sie erkennt, ob eine Mail direkt gelöscht oder gelesen wird. Oder ob eine Mail aufgrund besonderer Relevanz sogar abgelegt oder weitergeleitet wird. Sie klassifiziert die Verteiler, die Mailadressen und auch die Inhalte und Anhänge. Und sie trifft Entscheidungen, welche Mail Spam und welche Ham (=kein Spam) ist. Nutzen wir die eingebaute Funktion, um eine Spam-Mail, die versehentlich durchgerutscht ist, durch Click als Spam-Mail zu klassifizieren, dann lernt der Algorithmus und versucht zu verstehen, warum gerade diese Mail keine Ham-Mail war. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch. Wir trainieren fortlaufend unsere KI, die KI wiederum lernt fortlaufend aus unserem Verhalten. Ganz so, wie es im wahren Leben geschieht, wenn wir ein Kind erziehen oder im Alltag unseren Mitmenschen Feedback geben. Durch diese Wechselbeziehung sind lernende Algorithmen deutlich intelligenter und im positiven Sinne unberechenbarer als regelbasierte Systeme. Soweit so gut. Wo aber findet KI statt? Und wie können Unternehmen diese Technologien für ihre Anwendungen nutzen?
Wie wird maschinelles Lernen nutzbar? Beispiel einer Experten-Community für Unternehmen im Transformationsprozess.
Immer häufiger befinden sich Unternehmen in Erneuerungs-, Veränderungs- und Transformationsprozessen. Themen wie Digitalisierung, Zukunft der Arbeit oder der allgemeine Wertewandel führen dazu, dass sich Unternehmen neu aufstellen und Geschäftsfelder modifiziert oder ganz neu entwickelt werden müssen. Die Change-Kommunikation läuft dabei nach wie vor kaskadisch. Teams und Abteilungsleiter, d.h. die zweite Führungsebene, sind gefordert, die zentralen Botschaften der Veränderung nicht nur selber zu antizipieren, sondern auch dafür zu sorgen, dass der Dialog mit den eigenen Teams geführt wird. Dazu werden die Führungskräfte nicht selten mit Standardwerkzeugen ausgestattet, wie z.B. Präsentationen, DialogMaps oder Workshop-Tools. Auch die Geschäftsführung unternimmt eine Vielzahl an Aktivitäten, um aufzuklären, zu sensibilisieren, zu mobilisieren, zu motivieren – sei es über Mails, persönliche Ansprachen, Vorträge oder Video-Botschaften. Eine digitale Community-Plattform für die Change-Experten in Unternehmen kann den Change-Prozess nicht nur punktuell, sondern fortwährend begleitet. Eine Plattform, die die Möglichkeit bietet, über intelligente Funktionen die zentralen Corporate-Botschaften des Unternehmens aus der Change-Kommunikation mit Fragen und Wissen aus der Belegschaft zu verbinden. Ein Tool, das erkennt, wo es Klärungsbedarf gibt, an welchen Stellen es Akzeptanzprobleme gibt, wie sich die Interessenslage der Mitarbeiter auf die unterschiedlichen Change-Themenfelder verteilt. Und eine Plattform, die die Change-Experten unterstützt. Ein System, das lernt.
Los geht es: In 3 Stufen zur eigene KI
Stufe 1: Bedarf ermitteln
Zunächst einmal muss der konkrete Bedarf geklärt werden. Wo kann ein lernender Algorithmus zur Entscheidungsvorbereitung oder als unterstützendes Element bei der Arbeit sinnvoll eingesetzt werden? Denn nicht immer ist all das, was möglich ist, auch für die Aufgaben in der Organisation sinnvoll und
zweckdienlich. Ist dieser Bedarf hinreichend konkretisiert, kann zur Stufe 2 gewechselt werden.
Beispiel Community-Anwendung: “Ich suche einen Algorithmus, der den Experten in der Community die für ihre Projekte und Arbeit nützlichen Informationen und Werkzeuge passend zur Verfügung stellt, ohne dass lange gesucht und recherchiert werden muss. Die Anwendung soll verstehen, in welcher Situation sich ein Nutzer aktuell befindet und auf dieser Basis dynamisch Lerninhalte, Tools und Erfahrungswissen zur Verfügung stellen. Letztgenanntes z.B. in Form von Kontaktvorschlägen zu Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens, die bereits entsprechende Projekte durchlaufen und Erfahrungen gesammelt haben.”
Stufe 2: Lernen und trainieren
Hat man den passenden Algorithmus identifiziert, z.B. als verfügbare Microservices in der Cloud von Amazon (AWS), Google, Microsoft (Azure) oder Apple (iCloud) sowie IBM (Bluemix), kann dieser mittels Standardschnittstelle in eine eigene Anwendung eingebunden werden. Das heißt konkret: Jedes Unternehmen, jeder Mensch hat aktuell die Möglichkeit, auf die geballte KI-Power, welche aktuell in der Cloud verfügbar ist, zuzugreifen – per Standardschnittstelle aus der eigenen Anwendung. Sie wollen über ihre Kundendaten einmal Watson drüberlaufen lassen? Kein Problem. Watson gibt es in der IBM Cloud. Abrechnung im Minutentakt. Oder sie bevorzugen eher Alexa von Amazon, auch ohne Sprachsteuerung? Kein Problem. Sie können schon heute nicht nur auf die KIs der großen IT-Konzerne zugreifen, sondern diese auch anpassen, erweitern und für individuelle Bedürfnisse trainieren. Und für eine Vielzahl an Standardaufgaben sind Microservices, d.h. kleine Minianwendungen verfügbar, die ebenfalls in den Clouds buchbar sind. KI vorkonfektioniert, einfach zum Einbinden in die eigene Anwendung. Microservices sind z.B. verfügbar zur Bilderkennung, Spracherkennung, als ChatBot für Serviceanfragen, zur Spamdetection, … Amazon hat aktuell ein Angebot von mehr als 500 ausgereifte Microservices-Lösungen im Angebot. Haben Sie ihre Anwendung nun gebaut und trainiert, können sie in den Echtbetrieb gehen – die Stufe 3 ruft.
Stufe 3: Ihre eigene KI als Entscheidungshilfe nutzen
Hat die KI, um bei der Community-Anwendung zu bleiben, die Muster der Nutzerbedürfnisse und Verhaltensweise erkannt, d.h. hat sie eine erste Stufe der Intelligenz erreicht, kann sie Entscheidungen treffen. Für die Community-Anwendung bedeutet das: Bezogen auf Fragen, die ein Nutzer in der Community stellt oder Bücher und Artikel, die er liest, Videos, die er konsumiert oder aber Projekte, an denen er arbeitet, entscheidet die Maschine, was dem Nutzer aus den Foren an Beiträgen vorgeschlagen wird, welche Tools er empfohlen bekommt und was die für ihn relevanten Kollegen sind. Dabei ist es wichtig, für eine ganze Zeit den Nutzern die Möglichkeit zu geben, einen Vorschlag der Maschine abzulehnen, d.h. als “Falsch” zu klassifizieren. Denn nur so kann die Maschine auch weiterhin lernen, schließlich gilt auch für KI: Man lernt nie aus.
Maschinen werden uns intelligenter unterstützen
Unternehmen sind mehr denn je gefordert, sich mit dem Thema der Künstlichen Intelligenz bzw. maschinellem Lernen zu beschäftigen und die Potenziale für die Zukunft der eigenen Organisation abzuschätzen. Fest steht: KI, Maschinellem Lernen und neuronalen Netzwerken gehört die Zukunft. Aber auch hier hilft es nicht, den Prognosen von selbsternannten Experten blind zu vertrauen, sondern die neuen Möglichkeiten vielmehr auszuprobieren, damit zu spielen, zu experimentieren. Risiken vermeiden wir durch Lernen und Ausprobieren und nicht dadurch, dass wir weitermachen wie bisher. Das war schon in der Kindheit so. Spannend wird die Kombination und Vernetzung von KIs, also das, was wir derzeit testen, probieren und in Form von kombinierbaren Microservices erleben. Wenn sich KIs untereinander Dinge beibringen, voneinander lernen, sich ergänzen und Stärken bündeln, könnte es spannend werden. Analog funktioniert ja auch der Mensch. Ist ein Sinn getrübt, z.B. der Sehsinn, werden Aufgaben automatisch durch andere Sinne, z.B. Tastsinn erfüllt. Hier entwickelt der Mensch dann Stärken. Oder man befragt andere Menschen (KI) über Standard-Schnittstellen (Mund, Handzeichen, …).
Auch wenn es einer Maschine gelungen ist, den chinesischen Meister in Go, einem komplexen Brettspiel, das schwieriger ist als Schach, zu schlagen, muss konstatiert werden, dass maschinelle Intelligenz zwar verfügbar ist, den Menschen auf emotionaler, kreativer, intuitiver und emphatischer Ebene aber noch lange nicht schlagen kann. Und denoch: Maschinelles Lernen wird – und das ist auch gut so – uns bei vielen Tätigkeiten in einer komplexer werdenden Welt unterstützen. Im Büro, wie im Alltag. Auf den Mix kommt es an. Führungskräfte in Organisationen sind es, die ein Unternehmen transformieren wollen, die es innovations- und zukunftsfähig machen, die es wandelbar gestalten wollen. Im Idealfall begeistern und motivieren sie die Mitarbeiter und gewinnen sie für das Vorhaben. Dass uns Algorithmen in Maschinen bei der Bewerkstelligung dieser Probleme, beim zielgerichteten Austausch wie bei der oben skizzierten Community unterstützen können, macht nur Sinn. Maschinen werden so zu intelligenten Assistenzen und nehmen uns komplexe, unliebsame und auch stupide (Routine-)Aufgaben ab. Der Mensch aka die Führungskraft behält jedoch – anders als in einigen Distopien gerne umschweifend beschrieben – das Steuer in der Hand, entscheidet, wie zu handeln ist, kontrolliert und greift korrigierend ein.