Los Silos – ein Abgesang

Es gibt das Unwort des Jahres und das Jugendwort des Jahres. Wenn es auch den Abgesang des Jahres geben würde, könnte „Silo“ in diesem Jahr den Titel gewinnen. Überall werden Abteilungen aufgelöst, Büros zusammengelegt und das alte Abteilungsdenken beerdigt. Überall? Nein, in einer kleinen, gallischen Abteilung wehrt man sich mit Händen und Füßen gegen co-working, co-creation und co-wasauchimmer.

Wo liegt diese Abteilung? Allen Beschwörungen von „new work“ zum Trotz leider noch in nahezu jedem Unternehmen. Denn so stark der Trend zu übergreifender Zusammenarbeit verkündet wird, in der Realität gilt – in Anlehnung an Joschka Fischer – immer noch: die Veränderung der Abteilung durch den Menschen dauert länger als die Veränderung des Menschen durch die Abteilung. Ich habe Mitarbeiter und Führungskräfte aus der Produktion gesehen, die jahrelang aufs Engineering geschimpft haben – bis sie selbst dorthin gewechselt sind. Oder vom Einkauf zur Qualität. Und umgekehrt. Mit dem immer gleichen Ergebnis: jetzt wurde über die hergezogen, deren Teil man noch bis vor kurzem war.

Das ist faszinierend: Der Perspektivwechsel führt scheinbar nicht zu der Erkenntnis, dass eine Sache eine neue Facette gewinnt, wenn man sie von einer anderen Seite betrachtet. Sondern nur dazu, dass das, was früher weiß war, jetzt eben schwarz ist.

Dabei ist es gar nicht so wichtig, vom Einzel- ins Großraumbüro zu wechseln, oder aus drei Abteilungen eine zu machen, feste Sitzordnungen aufzuheben oder „daily standups“ mit allen einzuführen. Viel wichtiger als die äußere Form ist der innere Wandel. Das simple, aber tiefe Verstehen, dass im Normalfall alle Menschen in einem Unternehmen oder einer Organisation ein gemeinsames Ziel haben. Dass niemand nur deswegen dumm ist, weil er in einer bestimmten Abteilung sitzt. Und – vor allem anderen: dass die angemessene Haltung bei der Arbeit eben nicht lautet „Ich bin zuständig“, sondern „Ich fühle mich verantwortlich.“

Wenn wir dahin kommen, dass die Menschen in einer Organisation sich jede*r einzeln und alle gemeinsam verantwortlich fühlen für ein gemeinsames Ziel und aus diesem Gefühl heraus handeln, können wir die Hälfte aller internen Service level agreements, Schnittstellenvereinbarungen und RASCI-Matrizen abschaffen. Weil solche Menschen immer eine Lösung im Sinne des Ganzen finden.

Und dann können wir eines Tages Führungen veranstalten zu den historischen Stätten, in denen es früher einmal Silos gab, die heute aber keiner mehr kennt und niemand verstehen würde.

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